Klasse gegen Klasse – tägliche Nachrichten der revolutionären Linken
Sonstiges
Citizenfour Reloaded – Gegen den Einsatz von VeRA bei der bayerischen Polizei
Die bayerische Polizei wird in Zukunft Software des umstrittenen Überwachungskonzerns Palantir für ein so genanntes „Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem“ (VeRA) einsetzen. Die Software soll verschiedene Datenbanken der Polizei miteinander verknüpfen.
Kritik gibt es auch am Ausschreibungsverfahren. Dieses sei „Palantir auf den Leib geschnitten“ sagt die linke Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg. Der Sprecher der bayerischen Grünen-Fraktion für Digitalisierung, Benjamin Adjei, spricht von einem „fragwürdigen Vergabeverfahren“ (09.03.2022).
Quelle: Netzpolitik
Freistaat Bayern als Primärauftraggeber
Da tritt nämlich der Freistaat Bayern, vertreten durch das bayerische Landeskriminalamt als sogenannter Primärauftraggeber auf: Es schließt als alleiniger Vertragspartner mit dem Auftragnehmer eine Rahmenvereinbarung ab, die einen EVB-IT-Systemvertrag umfasst – zur Lieferung und kundenspezifischen Anpassung, Integration in die IT-Umgebung der bayerischen Polizei, Schulungsleistungen – sowie nach der Abnahme des System einen Pflegevertrag für die Hardwarewartung (sic!), Softwarepflege, Betriebsüberwachung, und sonstigen Support.
Der Bund als Sekundärauftraggeber I
Der Bund, vertreten durch das Bundesministerium des Innern für das Bundeskriminalamt und die Bundespolizei, sowie vertreten durch das Bundesministerium der Finanzen für das Zollkriminalamt wird Sekundärauftraggeber I: Er kann aus dem Rahmenvertrag den Abschluss eines eigenen EVB-IT Systemvertrags mit dem Auftragnehmer ableiten, sodass der Auftragnehmer auch für die Bundesbehörden das System zu liefern hat, projektspezifische Anpassungen vorzunehmen und das System in die IT-Architektur der Bundesbehörden zu integrieren und Schulungsleistungen zu erbringen hat. Auch hier ist nach der Abnahme ein eigener Pflegevertrag vorgesehen.
Die übrigen 15 Bundesländer als Sekundärauftraggeber II
Für die übrigen 15 Bundesländer sind im Falle des freibleibenden Abrufs die Standardsoftware des Systems VeRA im Rahmen eines zu schließenden EVB-IT Überlassungsvertrages (Typ A) zu liefern, sowie Softwarepflegeleistungen und Dienstleistungen zu erbringen.
Um welche und wie viele Quellsysteme geht es eigentlich?
Gotham bzw. VeRA soll „viele Informationen aus verschiedenen polizeilichen Datenbanken“ verknüpfen und effizient analysieren. Dazu zählen also in jeder Polizeibehörde von Bund und Ländern
- das Vorgangsbearbeitungssystem für sämtliche polizeilich relevanten Vorgänge (Ordnungswidrigkeiten, Verkehrsangelegenheiten, Gefahrenabwehrmaßnahmen, strafverfolgungs-Vorgänge)
- das Fallbearbeitungssystem
- das Asservatenmanagementsystem (sofern schon vorhanden),
- das PIAV-Teilnehmersystem der im Betrieb befindlichen (derzeit vier) PIAV-AUsbaustufen
- das INPOL-Teilnehmersystem der jeweiligen Teilnehmerbehörde, sowie
- das PIAV-Zentralsystem und
- das INPOL-Zentralsystem beim Bundeskriminalamt.
Bei sechzehn Länder- und vier Bundespolizeibehörden (Bundespolizei, Zollkriminalamt, Polizei des Bundestages und Bundeskriminalamt in seiner Eigenschaft als operativ tätige Polizeibehörde) als Teilnehmerbehörden und dem Bundeskriminalamt in seiner Eigenschaft als Zentralstelle geht es also um 21 mal (mindestens) fünf Datenbanksysteme. Vollkommen offen ist noch, wie eigentlich die in VeRA auf Ebene des einzelnen Teilnehmers bereits konsolidierten Informationen der einzelnen Teilnehmerbehörden dann beim BKA als Zentralstelle noch (einmal?) konsolidiert werden sollen und können. Denn auch das Bundeskriminalamt gehört ja zu den berechtigten Behörden, die sich der Rahmenvereinbarung der Bayern mit Palantir Technologies GmbH anschließen können.
Ein klarer Verstoß gegen Gesetze
Doch das sind alles nur Kinkerlitzchen, jedenfalls verglichen mit der Frage, die wie ein Elefant im Raum steht: Wie halten es denn die Betreiber des VeRA-Systems mit der gesetzlich verankerten Kennzeichnungspflicht?!
Die besagt, dass Daten nur zu dem Zweck verarbeitet und genutzt werden dürfen, zu dem sie (ursprünglich) auch erhoben und gespeichert wurden. Das hat zur Folge, dass der Zweck der Datenerhebung und -speicherung auch – im Detail – für jedes einzelne personenbezogene Datum! – mitgespeichert werden muss. Und bei einer späteren Verarbeitung – jede Verknüpfung und Analyse ist eine solche Verarbeitung – auch ausgewertet werden muss. Damit nur solche Daten verknüpft und analysiert werden, deren ursprünglicher Zweck dem Verknüpfungs- und Analysezweck entspricht.
Das aber können die für VeRA verwendeten Quellsysteme NICHT: Weder INPOL, noch das Bund-Länder-System PIAV; noch die Fallbearbeitungssysteme auf der Basis von RS-CASE bzw. RS-FRAME (auch Grundlage für das gerade in Einführung begriffene einheitliche Asservatenmanagementsystem eAMS). Von Vorgangsbearbeitungssystemen ganz zu schweigen. Daraus folgt, dass mit VeRA ein System flächendeckend in der Polizei der Bundesländer und des Bundes in Einführung begriffen ist, das die grundlegenden gesetzlichen Anforderungen (nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts!) nicht umsetzen kann, weil die zur Verknüpfung herangezogenen Quellsysteme diese wesentliche Voraussetzung der Kennzeichnung personenbezogener Daten nicht mitbringen (07.03.2022).
Quelle: POLICE IT
Zum Hintergrund
Alexander Karp (Mitgründer und CEO der Datenanalyse-Firma Palantir) auf der Münchner Sicherheitskonferenz 18.-20.02.2022: Bei der Sicherheitskonferenz philosophierte Karp über die unterschiedliche Akzeptanz neuer Datentechnologien in Kontinentaleuropa und dem angelsächsischen Raum und gab sich gegenüber europäischen Regulierungsanstrengungen aufgeschlossen: „Ich liebe Datenschutz, ich möchte, dass er überall umgesetzt wird.“ Entscheidend sei es, festzulegen, unter welchen Umständen eine Gesellschaft die Nutzung des vollen „Super“-Arsenals an Möglichkeiten zur Ausspähung von Kriminellen für adäquat halte.
Quelle: Heise
Palantir gehört unter anderem dem Investor Peter Thiel, der unter anderem wegen seiner Nähe zur amerikanischen Alt-Right-Bewegung in der Kritik steht. Thiel war ein Unterstützer von Donald Trump und finanziert konservative und republikanische Kampagnen in den USA. Thiels Ideologie des Monopols prägt auch die Kultur und Ausrichtung des Silicon Valley und seiner marktdominanten Konzerne wie Facebook.
Palantir hatte zudem eine unrühmliche Rolle im Skandal um Cambridge Analytica, in der der Überwachungskonzern bei der Auswertung der von Facebook abgezogenen Daten mitgeholfen haben soll. Der 2004 gegründete Überwachungskonzern hat eine große Nähe zum amerikanischen Sicherheit- und Geheimdienstapparats, zu seinen Kunden gehören unter anderem die CIA, die NSA und das FBI.
Quelle: Netzpolitik
Gegen das geplante Hochschulinnovationsgesetz der Bayerischen Staatsregierung
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Für den Erhalt und die Stärkung der Geistes- und Sozialwissenschaften in Bayern
Das geplante Hochschulinnovationsgesetz der Bayerischen Staatsregierung gefährdet in erheblichem Maße die freie Ausübung der Geistes- und Sozialwissenschaften und den Fortbestand insbesondere kleinerer geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer. Damit diese weiterhin bestehen und zur reichen Fächervielfalt, durch die sich die Wissenschaftslandschaft in Bayern auszeichnet, beitragen können, fordern wir als Studierende, Lehrende und Forschende in den Geistes- und Sozialwissenschaften:
1. die Befreiung der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Grundlagenforschung im Allgemeinen vom Diktat unmittelbarer und ökonomischer Verwertbarkeit
2. eine materielle wie ideelle Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften, die in einem angemessenen Verhältnis zur Förderung der Hightech- und MINT-Fächer steht
3. den Erhalt wissenschaftlicher Exzellenz in den Geistes- und Sozialwissenschaften durch die Sicherung der Existenz von Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen
4. den Erhalt wissenschaftlicher und kultureller Vielfalt an den Hochschulen, insbesondere in Form kleiner geistes- und sozialwissenschaftlicher Fächer
5. eine Beurteilung der Geistes- und Sozialwissenschaften, die ihren besonderen Eigenheiten gerecht wird, nicht zuletzt im Bereich der Lehre
Quelle: Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften
Petition und Aufruf: Für den Erhalt und die Stärkung der Geistes- und Sozialwissenschaften in Bayern
NEIN zum PAG 1.0 + PAG 2.0 #noPAG
Die CSU und die Staatsregierung rüsten die Bayerische Polizei auf. Nicht nur mit Waffen und Granaten, wie in der Vergangenheit, sondern vor allem mit Gesetzen. Im August 2017 wurden durch das sogenannte Gefährdergesetz die Befugnisse der Polizei bereits extrem ausgeweitet. Mit der Neuordnung des Polizeiaufgabengesetzes will die CSU jetzt noch viel weiter gehen (10.05.2018).
Die Verabschiedung des neuen Polizeiaufgabengesetzes durch den bayerischen Landtag ist ein weiterer Schritt in Richtung einer autoritären Gesellschaft. Der Beschluss trotz des massiven Widerstandes in der Gesellschaft, hat nicht nur antidemokratische Tendenzen der amtierenden Landesregierung offenbart, sondern auch den unmittelbaren Abbau von Bürger*innen- und Menschenrechten in Bayern nach sich gezogen: Demonstrierende, Streikende, Gewerkschafter*innen, Journalist*innen, Anwält*innen, Geflüchtete, Linke und Migrant*innen sind seither noch stärker als bisher Repressionen und Überwachung ausgesetzt. Bezeichnend ist auch, dass es sich bei den elf Menschen, die seit Einführung der „Unendlichkeitshaft“ länger als 14 Tage in Polizeigewahrsam mussten, ausschließlich um Geflüchtete handelt. Das PAG war und ist deshalb ein zentraler Bezugspunkt der seit Monaten stattfindenden Proteste gegen die Politik der Staatsregierung und den allgemeinen Rechtsruck, der vom Wettstreit zwischen CSU und AfD angeheizt wird. Inzwischen ist es in Deutschland erschreckende Normalität, dass Faschist*innen in den Parlamenten und Sicherheitsbehörden sitzen und Menschen von einem rassistischen Mob durch die Straßen gehetzt werden (30.10.2018).
Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern will kurzfristig und im Eilverfahren die nächste Verschärfung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) auf den Weg bringen: Die Polizei soll künftig befugt werden, „bei Anlässen, die mit erheblichen Sicherheitsrisiken verbunden sind“ eine sogenannte Zuverlässigkeitsüberprüfung durchzuführen und somit personenbezogene Daten von Einzelnen „bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen erheben“ zu können. Diese „Zuverlässigkeitsüberprüfungen“ sollen für jede Art von Veranstaltung gelten. Wir sehen hier die Gefahr einer möglichen Anwendung auch auf Demonstrationen. Diese Änderung des PAGs wurde am 22. Juni 2021 von CSU und Freien Wählern in den Landtag eingebracht, im Ausschuss beschlossen und sollen nun im Schnellverfahren und ohne die normal übliche Expert*innen-Anhörung bereits am 20. Juli 2021 im Landtags-Plenum abschließend beschlossen werden (18.07.2021).
Quelle: #noPAG